Lexikon der Biologie: Sanddollars
Sanddollars, Schildseeigel, Clypeasteroida, eine der 4 Ordnungen der Irregulären Seeigel, rezent 9 Familien (ca. 130 Arten in 20 Gattungen), fossil (ab Ober-Kreide) viele weitere Gattungen (z.B. Scutella †) und Familien. Sie sind vor allem Bewohner des Litorals bis Sublitorals und im Gegensatz zu Seeigeln allgemein und auch im Gegensatz zu anderen Irregulären Seeigeln (z.B. Herzigel [Abb.]) stark abgeflacht, extrem der 18 cm große Echinodiscus (Seepfannkuchen; vgl. Abb. ) des Indischen Ozeans. Beinahe einzigartig im Tierreich sind die Lunulae: Schlitze, die nicht nur eine Durchbrechung des Skeletts, sondern des gesamten Körpers (Epidermis, Bindegewebe, Leibeshöhle) darstellen. Einige entstehen durch peripheres Zusammenwachsen randlicher Einkerbungen, andere durch Skelettresorption und anschließende Umlagerung von Bindegewebe und Epidermis. Die Lunulae sind paarig oder unpaar; sie liegen in Radien (Ambulacren) und meist zusätzlich in Interradien (Interambulacren). Beim Schlüsselloch-Sanddollar Mellita ( vgl. Abb. ) hat die eine Art 5, die andere Art 6 Lunulae. Während die Schale normaler Seeigel allein durch die Kugel- oder Eiform mechanisch stabil ist (vgl. Festigkeit eines Hühnereies gegen Druck), sind bei Sanddollars besondere Strukturen notwendig: im Körperinnern verlaufen zwischen dem Skelett von Oberseite und von Unterseite zusätzliche Skelettelemente („Pfeiler“ und Leisten, im gewissen Sinne vergleichbar den Apodemen bei Gliederfüßern). Auch die Lunulae (als zusätzliche „Hohlpfeiler“) und die randlichen Einkerbungen verleihen Festigkeit. – Fast die gesamte Körperoberfläche ist mit Tausenden feinster Stacheln besetzt und wirkt dadurch pelzig. Die aboralen Füßchen aller 5 Radien (Ambulacren) sind zu Kiemenfüßchen umgestaltet; deshalb sieht man von oben (aboral) eine Rosette aus 5 Petalodien ( vgl. Abb. ) (bei Herzseeigeln sind es nur 4: Irreguläre Seeigel [Abb.]). Da die Fortbewegung wie bei den Herzseeigeln ausschließlich mit den Stacheln geschieht, dienen die Füßchen der Oralseite nur der Nahrungsgewinnung. Bis vor kurzem glaubte man, die Sanddollars gewännen ihre Nahrung aboral durch Aussieben des Sandes mit Hilfe ihres Stachelkleids; vereinfacht: bewegt sich der Sanddollar vorwärts, so gleiten die Sandkörner über den dichten aboralen Stachel-„Pelz“; nur die winzigen Detritus-Partikel (viel kleiner als Sandkörner) fallen zwischen den Stacheln hindurch bis zur Epidermis, werden dort eingeschleimt und mit Cilienströmen bis zum Mund befördert, wobei die Lunulae Abkürzungswege bieten. Neuere Untersuchungen zeigten aber, daß eine wesentliche (oder sogar die gesamte) Nahrungsaufnahme auf der Oralseite durch Auftupfen geschieht: die längeren der beiden Typen von Füßchen mit Saugnapf-Rudimenten tupfen einzelne Detritus-Partikel auf, die kürzeren reichen sie einzeln von Füßchen zu Füßchen weiter; erst in der Nahrungsrinne werden sie eingeschleimt. Ebenso wie die Stacheln sind auch diese Füßchen verzwergt, ihre Zahl ist aber im Vergleich zu anderen Seeigeln stark vergrößert; von 6 Typen haben nur 2 den Charakter von Saugfüßchen, wenn auch nur sehr rudimentär. Zum Munde führen 5 × 2, sekundär noch weiter aufgespaltene Ambulacralfurchen als Nahrungsrinnen. Innerhalb des Mundes liegt der für Seeigel charakteristische Kauapparat, die Laterne des Aristoteles (Gegensatz: reduziert bei Herzseeigeln). Der After liegt am hinteren Schalenrand oder (meist) nahe dem Mund; bei Jungtieren liegt er noch aboral (Rekapitulation!). – Sanddollars leben im Sandboden (Dendraster und Rotula nur mit ihrer vorderen Hälfte eingegraben), vor allem in tropischen und subtropischen Meeren. Besonders bekannt sind die eigentlichen Sanddollars (ohne Lunulae) Dendraster und Echinarachnius der West- und Ostküste der USA. Weitere Gattungen sind Clypeaster, Encope, Fibularia, Laganum, Astriclypeus. An europäischen Küsten kommen keine Sanddollars vor, wenn man vom Zwergseeigel absieht, der zwar in die Ordnung Clypeasteroida gestellt wird, aber äußerlich gar nicht wie ein Sanddollar aussieht.
U.W./W.R.
Sanddollars
Beispiele: 1Mellita quinqueperforata (Schlüsselloch-Sanddollar), Durchmesser 10 cm; a von der Seite, b von unten (Oralseite). 2Echinodiscus (Seepfannkuchen), Durchmesser bis 18 cm, von oben (Aboralseite); 2 Lunulae und eine Rosette aus 5 Petalodien. 3Rotula, von oben (Aboralseite).
Af After, Mu Mund, Na Nahrungsrinnen. Der Pfeil gibt jeweils die Vorderkante (
Fortbewegungsrichtung) an.
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